Haben oder Sein: To be or not to be...

Heaven for everyone
„Dies könnte Himmel sein für jeden...In dieser Welt der kalten Gefühle... in diesen Tagen der Täuschung... was machen die Menschen miteinander? Sie nehmen ihr Leben...zerstören ihre Hoffnung...die Würde wird enthauptet... Dies sollte Himmel sein für jeden...diese Welt könnte gerecht sein und glücklich...sie könnte frei sein...mit Liebe zu unsern Töchtern und Söhnen...“
Vor 25 Jahren sang Freddy Mercury dieses Lied, um die Menschen zu warnen: So wie wir jetzt leben, kann es nicht weiter gehen. Aber wir machen trotzdem weiter- sogar noch schneller! Wie ist dieses „fundamentale Paradoxon“ möglich?

Himmel für jeden! Mit dieser Aussage traf Freddy den Kern der christlichen Religion. Nach deren alter Glaubenstradition ist der Himmel nur für Christen da. Die anderen kommen in die Hölle. Aber da Gott auf der Erde auch die Heiden augenscheinlich gut leben lässt, musste das Endgericht die Gerechtigkeit bringen. Himmel oder Hölle entscheidet sich nach der Apokalypse. Also her damit. Ist hier die self-fullfilling prophecy am Werk? Liegt unser paradoxes Verhalten an der christlichen Gottergebenheit? Der Mensch ist sowieso sündig, alles hängt von der Gnade Gottes ab, also pfeifen wir auf ethisches Verhalten und das Wohlergehen zukünftiger Generationen. Nach uns die Sintflut. Ein Gottvertrauen dieser Art hilft uns, so weiter zu machen wie bisher. Besonders verbreitet ist diese Weltsicht in calvinistisch gesprägten Ländern wie USA: Dort hat die "Left behind- world at war" Serie unglaubliche Millionenauflagen.
Aber bei uns und heute glauben doch viele nicht mehr an die Bibelsprüche! In Ostdeutschland ist die Mehrheit atheistisch. So konnte Karat schon 1982 singen: „Uns hilft kein Gott, die Welt zu erhalten.“ Doch unbewusst scheint das christliche Weltbild in uns weiter zu leben. Außerdem: Die Verunsicherungen der heutigen Zeit können auch regressiv wirken: Religiös-fundamentale Gruppe haben wieder starken Zulauf. Und in den USA sind die reborn-Christen a la Bush sehr stark. Der homo sapiens sapiens, der weise Mensch hat wohl die Vernunft der Aufklärung bis heute nicht richtig umsetzen können.

Die Veränderungen der letzten Jahrhunderte gingen maßgeblich von christlich-westlichen Ländern aus: Eroberungen, Kolonisation, kapitalistische Produktion, 1.Weltkrieg mit Gastod, Judenverfolgung, 2. Weltkrieg mit A-Bombe, Hyperindustrialisierung, Konsumrausch, Ölkriege...
Mit dieser Schuld-Geschichte wird die christliche Lehre von der irdischen Sündhaftigkeit des Menschen bestätigt. Also hoffen wir auf den Abgang aus dem Jammertal ins himmlische Jenseits. So stellt der deutsche Soziologe W. Rosa fest: „Bisher konnten wir uns immer noch eher das Ende der Welt vorstellen als eine Alternative zum Kapitalismus.“ Das tradierte Denkgebäude aus Monotheismus, Sozialdarwinismus und Monopolkapitalismus hat nachhaltige Wirkung: Entweder wir sind die Sieger im Lebenskampf oder alles geht unter- und nur für uns lockt das Jenseits! Sieg oder Untergang ist das ideologische Paradigma: So ist die Natur eben. Da hilft kein Gut-Mensch-Denken. Und in diesem Daseinskrieg sind Gehorsam und Opferbereitschaft wichtige Tugenden. Schon Abraham hat sie uns vorgemacht, als er scheinbar auf Gottes Befehl seinen Sohn opfern sollte. Oder der Herren-Gott selbst, der den Opfertod seinen Sohnes den Menschen als Erlösung anbietet. Töten und getötet werden. Märtyrer sind die Helden auch im Islam. Wenn der nachmacht, was die Christen seit Nizäa vorgemacht haben... hat das Leben da noch eine Chance?

In ihrer Selbstüberhöhung haben die monotheistischen Religionen jedes Augenmaß für die Schöpfung, für Natur, Erde und Kosmos verloren. Denn da gibt es Kooperation und Koexistenz, da lebt die Vielfalt statt der Einfalt, da existiert das „Unkraut“ neben dem Sauerkraut, der „Unmensch“ neben dem Menschen des Herrn.

Unsere heutigen Krisen sind weitgehend menschengemacht. Und diese äußeren Krisen sind meistens eine Auswirkung innerer Krisen des Menschen. Sie haben ihren Ursprung im Fühlen und Denken des Einzelnen. Das Weltbild beeinflusst das Verhalten. Ein Paradigmenwechsel kann sehr lange dauern, wie die Abkehr vom geozentrischen Weltbild gezeigt hat. Er kann aber auch sehr schnell gehen, wenn von ihm das Überleben abhängt. To be or not to be! Nur wird er dann mit viel Leid und Zerstörung verbunden sein. Es scheint so, dass der Mensch nicht anders lernt.
Und wie ist es mit mir und dir? Auch wenn wir meinen edel und moralisch zu sein: Wir stecken mitten drin in diesem System. So sind wir gegen die Ressourcenkriege z.B. in Afghanistan (Öl-Pipeline und Bodenschätze), aber wir schimpfen über den hohen Spritpreis...